Wie wir beginnen, uns die Gummistiefel auszuziehen
Kapelle Weitendorf, 6.98
Gewebefolie und Video
Katalogtext
Erste Überlegungen zu der Arbeit in Weitendorf
Ich werde als Fremder, als
Stadtbewohner aufs Land kommen. Und ich werde als jemand kommen, für den
das Sakrale der Kirche verwaist ist, wie die Kapelle auch. Die einfache Schönheit
der Kapelle ist kaum zu beschreiben, ich fahre mit meinen Augen über die
Giebellinie und erinnere mich daran, wie mir das bei einem Horizont von Van
Gogh zum ersten Mal so gegangen war, da hatte ich einen Tag die Schule geschwänzt
und war nach Amsterdam getrampt. Die Giebel-Linie in Weitendorf ist etwas, das
ich seither in der Zeichnung als leben-dig & organisch, als notwendig, empfunden
habe. In dem ich auf diese Linie bestand kämpte ich gegen den Schwachsinn.
Ein kleiner netter Don Quichotte im Blaumann. Nicht doof, aber ausgestattet
mit zu viel Willen. Damals vor 10 Jahren wäre diese Einladung also gar
kein Problem gewesen. Alles, was danach kam, begann mit einem Paravent aus Draht
mit Bürostühlen im Schäfershop-Standart. Ich hatte realisieren
müssen, daß nach dem Zerfall des Sowjet-Sys-tems die Bewohner sich
als höchst unzufrieden mit dem, was ich liebte, heraus-stellten. Auch sie
wollten alles haben, was besser aussieht als es ist. Der verarmte Barock bekam
seinen Gnadenstoß. Was vorher modern oder (post-) an mir gewesen war,
war mein Bewußtsein über den eigenen Anachronismus. Es war eine Zeit
in der das Leben / die Kunst die bildnerische Qualität eines ge-träumten
Bildes haben sollte.
Mit dem Büroparavent änderte sich alles. Alles Gesammelte flog aus
dem Atelier bzw. in Bananenkisten. Der Draht war ein analytisches Medium, aber
auch ein liebes Zugeständnis an die Freude am Machen. Nach wie vor war
meine Stärke nicht die Idee / die Konzeption, sondern das Detail und vielleicht
der Humor in demselben.
Nun werde ich nicht den Fehler machen nach Weitendorf zu fahren und zu den-ken,
hm, hier ist alles anders, Natur und Stille, jeder kennt jeden. Stimmt, jeder
kennt jeden und viele rasen mit ihren Autos rum, falls sie sichs leisten können
oder einen Kredit aufgenommen haben. Ein großflächiges Sanatorium,
denn das Gebiet ist außer Stande gesetzt sich selbst zu genügen.
Dieser Landstrich mit seinen Bewohnern muß irgendetwas bereitstellen,
was gesund ist oder einen Investor finden, ansonsten gibts Sozialamt.
Keine Kühe oder alle im Stall. Die Landschaft ist, seit ich sie kenne zum
Denk-mal geworden. Die Poesie der Landschaft ist zur Nischenpoesie geworden.
Das bedeutet, entweder wir wollen das nicht wahrhaben und suchen uns irgendwas
Unverdorbenes, oder aber wir arbeiten. Die Poesie des Gartencenters ist eine
schwierig zu findende, und da sind es weniger die Mittel der Poesie als die
Mittel des Humors, die uns retten. Oder aber das Zauberwort Kontext, das die
Europäer seit ein paar Jahren aus dem alten fernen Osten zu übersetzen
begonnen haben.
Der Beginn eines Berichts über Alexander Kluge hat mich erstaunt: Im ersten
Bild ist ein Telefon und eine durchschnittliche Tischlampe der imitierenden
Gat-tung zu sehen. Das Gegenteil der Gefühle sind die Gegenstände.
Sagt er. Die folgenden Ausschnitte hatten alle eins gemeinsam: Ihnen fehlten
die Gegen-stände. Ein Seil war nur da, wenn auf ihm getanzt wurde. Die
Einstellungen filmten um die Dinge als Dinge herum, denn wenn die Geschichtslehrerin
mit einem Hammer auf ein Buch schlägt, so sind die beiden keine Gegenstände,
sondern Transportmittel geistiger Inhalte, der Hammer und das Buch zwei Lastwagen
auf der Bedeutungsautobahn.
Es gefiel mir trotzdem. Die in poetisches Juristendeutsch gepreßten Figuren
erleben etwas. Sie sind die Privatfahrzeuge der Autobahn. Sie sind keine Perso-nen,
denn sie sind nur für das Erlebnis oder die Arbeit oder die Verwunderung
da. Sie sind Schlangenhäute, wie die Gegenstände.
Dinge sind das Gegenteil von dem, was Europäer für Gefühle halten.
Sie sind das Gegenteil von Dramatik, sie sind ein Zustand. Sie halten die Gefühle
fest, geben ihnen eine Struktur und wenn es zum Drama kommt werden sie gegen
die Wand geworfen. Oder zu Schrott gefahren. Die Dinge beherbergen Gefühle
solange, bis der Krieg ausbricht, dann sind sie unwichtig und zerstört.
Meistens ist weder Krieg noch Krebs. Seit es weder Tiere noch Kinder mehr gibt,
sind die Dinge die Gefühle des Alltags, sie befreien die Benutzer/Besitzer
davon Ereig-nisse oder die Erschöpfung durch Arbeit zu ersehnen. Aber sie
sehen größer und schwerer aus als sie sind. Was sie an Gewicht und
an Arbeit eingebüßt ha-ben, haben ihre Produktion und Vermarktung
an Komplexität gewonnen.
In der Kapelle wird es um Arbeit gehen. Menschen, die zyklische Arbeit verrich-ten,
die Bewegungen ausführen, viele Male. Bewegungen, die jeder zu Hause tut
in professionalisierter Form. Teig rühren, Brot schneiden, Fahrräder
eine Treppe hinunter führen, spülen. Alltag ist zur Profession geworden.
Was sie tun, tun sie gut. Deshalb verenden sie nicht. Im Kopf findet auch diese
kreisen-de Bewegung statt, bei der das Denken eine kleine Freiheit, die es kaum
zu Gedanken kommen läßt, hat. Ich rede nicht von Monotonie, sondern
von etwas, das man damit verwechseln könnte. Ich erinnere mich an einen
jungen Mann in Italien in einer Fabrik, der Dinge zum Verpackt-werden zusammenlegte,
als er sich wahrgenommen fühlte, verwandelte sich seine Tätigkeit
für eine Weile in einen Einklang von Bewegungen.
Seit dem Zusammenbruch der Planwirtschaft auf beiden Seiten der Grenze ist eine
Gleichzeitigkeit von Archaik und High-Tech offenbar geworden. Wirtschaftswanderung
und Verfall des Gewerkschaftsstaats. Mosleminnen ver-schleieren sich wieder
und setzen sich ans Steuer geschniegelter Mercedes-Transporter (eigentlich ist
die Gleichzeitigkeit schon durch den Fernseher vor dem man sitzt und sich in
der Nase bohrt verkörpert). Das ländliche Land, wie es in Deutschland
existiert sind Abschnitte zwischen Gewerbegebieten, Sied-lungen und infrastrukturellen
Maßnahmen. Nur Bedarfsmangel an solchen Anla-gen verschont Parzellen davor
zur globalen Vorstadt zu werden.
Vorstadt ist so ein nettes Wort aus dem 19. Jahrhundert oder der Beschreibung
eines neorealistischen Films, die Berliner haben begonnen ihr Kampa-Haus-Umland
Speckgürtel zu nennen. Zwar euphemisieren sie, in dem sie den wirt-schaftlichen
Ballungsraum herbeireden möchten, aber der Ekel, der einem bei der Vorstellung
von einem Gürtel aus Schweinespeck hochkommt trifft die Sache. Hier ist
gerade die archaische Benennung Ausdruck eines gnadenlos unsentimentalen, modernen
Blicks auf diese Umgebung. Ich will nicht sagen, daß Archaik nur mit Nasebohren
und Schweinespeck zu tun hat. Sie hat mit dem einzelnen Leben zu tun, mit Schlafen,
Sorgen, Essen, Krankheit, Ausruhen oder mit einer Wiese auf der das Wasser stehengeblieben
ist.
Wenn ich mit irgendeinem Kraft-Fahrzeug zwischen Ziegelwand und pieksen-dem
Gras ankomme wird mir die Gleichzeitigkeit immer bewußt. Es wird um die
Polarisierungen gehen und um einfache zyklische Verrichtungen.
Subjektive Enzyklopädie.
Schneiden. Schneiden ist das Zerreißen zwischenmolekularer Bindungen.
Also ist Schneiden nicht schneiden, sondern reißen. Im Gegensatz zum Zerreißen
eines Papiers oder eines Brotes wird die Linie, an der der Riß stattfinden
soll in einer Genauigkeit die dem Werkzeug und ggf. der tätigen Hand angepaßt
ist, geplant. Abgesehen von Un- und Zufällen sind Schnitte mit Planung
verbunden, die die Berührung zweier Materialien auf einen Zweck hin regelt.
Daß Schneiden reißen ist, wird nicht nur auf molekularer Ebene deutlich,
sondern auch bei der Betrachtung unseres und einiger Tiere Münder. Mit
den Zähnen reißen wir, wir zwingen Materialien auseinander.
Schnitte können auch dann stattfinden, wenn lediglich ein sehr viel härteres
in mindestens einer Richtung scharfkantig geformtes Material auf ein relativ
dazu weicheres in einer auf das Ergebnis bezogen günstigen Richtung auftrifft
(Glas-splitter-Fahrradschlauch, Dornen-Haut) und eine Kraft anliegt.
Es ist wahrscheinlich, daß die meisten Schnitte dieser Welt solche zufälligen
sind, deren Ergebnis zwar nicht jenseits der Wahrnehmungsgrenze, aber jen-seits
der Prioritätensetzung zu dieser Grenze liegen.
Da, wie Christoph Rauch sagt, Analogie glücklich macht schneiden wir sehr
gerne im Computer, schneiden Filme und Fotos oder zum Beispiel fehlbesetzte
Plätze in den Sätzen dieses Textes aus. Das virtuelle Schneiden war
schon lange erfunden. Seit Jahrhunderten wurde keine Kathedrale gebaut, ohne
daß sie vorher zerschnitten worden wäre, in Schnitten gezeichnet.
Auch wenn Pflanzen, Tiere, Menschen oder Maschinen nach der Natur gezeichnet
wurden, waren das ideale Schnitte, die selten gleichzeitig Abbildungen von Resultaten
eines real vollzogenen Schnitts waren. An den Modellen wurde u.U. lange herum
geschabt, geschrappt, gehobelt, geschmirgelt und geschnitzelt bis der eine Schnitt,
der ideale, den man der Zeichnung zu Grunde legen wollte da war.
Abgesehen von den unfälligen und den meisten zufälligen, ermöglichen
Schnitte Klärung und Selektion. Sie sind Vorbereitungen oder Voraussetzung
für nachfol-gende Synthesen. Obwohl alles zusammengenäht wird, heißt
der Schneider Schneider.
Spülen. Was ist spülen?
Spülen ist die Verwandlung von Dreckigem in Sauberes. Dinge, die übrig
waren werden zu Dingen, die in Bereitschaft stehen. Es ist die Verwandlung vom
Ende zum Anfang. Es ist Reinigung, Läuterung der Dinge. Spülen ist
die Naht, die die Linearität der Zeit zum Zyklus macht. Bei mir erzeugt
Reinigen immer wieder die Illusion das Gereinigte sei ein für alle mal
in diesen sauberen Zustand versetzt. Wahrscheinlich gibt es klügere Leute.
Es ver-geht immer eine lange Zeit, bis der Kopf, die Zustandsänderung bemerkt
und bemerkt, daß nach dem ersten thermodynamischen Hauptsatz im Sinne
des energetisch günstigsten Zustands Partikel ihre Bindungen gelöst
und sich auf Tellern, in Ritzen und hinter Matratzen verteilt haben (Entropie).
Putzen ist der Jungbrunnen der Wohnung, wie Duschen und Baden für den Kör-per.
Es ist das Zurückdrehen von Zeit. Beim Spülen wird mittels Emulgator
Fett mit Wasser emulgiert und stark verdünnt den Abfluß hinunter
gespült. Die uner-wünschten Substanzen werden nicht beseitigt. Ihre
Konzentration wird unter Zugabe von Wasser o.ä. lediglich so verringert,
daß die nach demTrocknen des Geschirrs verbliebenen Reste mit bloßem
Auge nach Möglichkeit nicht mehr wahrnehmbar sind.
Auf der anderen Seite des Systems werden die Substanzen wieder konzentriert
und keiner weiß genau, was damit geschehen kann, denn eigentlich sollten
sie verschwinden.
Teigkneten. Mengen, Mischen ist die Beschleunigung eines Prozesses der im Sinne des Energieausgleichs sowieso passieren würde. Aber langsam. Wenn alles zu fest wäre, passierte das wenig. Oder wenn Eier schwerer sind als Milch. Dann Treibmittel, Pilze erzeugen Gas, das den Teig anhebt. Bakterien ? das müßte recherchiert werden. Jedenfalls sind es nachher hauptsächlich Löcher. Gärung.
Es geschieht oft beim Frühstück:
plötzlich wird die Tasse losgelassen und ihr Inhalt über den Tisch
verschüttet. (...) Sprache und Gesten werden dort wieder aufgenommen, wo
sie unterbrochen worden waren. Die beiden Enden der bewußten Zeit werden
automatisch zusammengefügt und bilden eine kontinuierliche Zeit ohne erkennbare
Einschnitte. (...) Für den Pyknoleptiker ist nichts vorgefallen, die abwesende
Zeit hat für ihn nicht existiert, ohne es zu merken ist ihm bei jeder Krise
ein wenig seiner Dauer einfach entglitten.
Paul Virilio, Ästhetik des Verschwindens.
In dem Lokal sitzen zwei
alte Leute, eine Frau und ein Mann, die jeweils von Tochter und Schwiegersohn,
bzw. von Schwiegertochtewr und Sohn ausgeführt werden. Im Gegensatz zu
ihren abgerundeten, mittelalten Verwandten haben sie ein genau und spezifisch
geschnittenes Gesicht. Beide Alte haben sich auf verschiedene Weise von der
Welt -oder jedenfalls der Außenwelt- verabschiedet. Sie ist nichts, während
die jüngere Generation sich lustlos Braten und Eisbecher in die losen Konturen
einfüllt. Die Alte liest von einer Karte vor, obwohl die Mittelalten nichts
anzubieten haben tun sie so als hörten sie nicht zu.
Das andere Dreiergespann sitzt komplett schweigend, wobei der alte der Oberschweiger
ist, in der Gegend rumschaut, und weise gerade eben auf die konkretesten Fragen
antwortet. Ob erEis will, Kaffee braucht nicht erfragt zu werden. Auch beteiligt
er sich nicht an der Recherche, ob und was es für Diabetiker, in diesem
Falle wohl für ihn, gibt. Die jeweiligen Enkel haben sich offenbar rechtzeitig
vor der anstehenden Besuchpflicht verpißt. An einem dritten Tisch sitzten
zwei Dammen, 65 und 75 Jahre, die sich offensichtlich aufgrund gegenseitigen
Interesses getroffen haben.
Um viertel nach elf ist
alles eingerichtet. Eine kleine Stube, bestehend aus Schreibtisch und Eßtisch
sind am Rande des Raumes entstanden. Ein kleines Techniklager und eine Schweißabteilung.
Tischpapier hat der abgestoßenen Preßspanplatte Sauberkeit, etwas
wie Jungfräulichkeit verliehen.
Die Haare, die zum ersten mal rasiert wurden, pieksen. Natürlich sind es
ihre Reste, die an den Kanten, die kurz über den Wurzeln entstanden sind,
die in die Achseln picksten. Es ist eine unerwartete Nacktheit, die durch diese
Schnapsidee entstanden ist, eine Einbürgerungsurkunde nach USA. Mit dem
großen Licht wecke ich Vögel, Schwalben, die Ihre Nester auf den
Simsen über den Fenstern haben, sie hatten sich während der ganzen
Zeit des Räumens und des Hundegebell nicht gemeldet aber das große
Licht verursachte gelinde Panik. Als ich den Stecker zog, setzten sie sich wieder
ruhig an ihre Schlafplätze.
Das kleine Wesen hatte im lauthals brummenden Auto wohl irgendwie geschlafen,
aber bei dem Geräume und Gemache war es aufgewacht und kommt jetzt dazu
von innen gegen die Bauchdecke zu treten. Es dürften kaum 5 cm sein, die
die Schenkelknochen messen, deshalb hält es sich auch mit der Kraft noch
in Grenzen.
Es wird kalt. Aber man kann auch morgen die Luken nicht verschließen,
wegen der Vögel. Der Mond hat sich wieder aus der Achse zwischen den Augen
und dem Fenster herausbewegt. Es ist still und zum ersten mal merke ich das
nicht in Elba, oder Assisi oder Berlin war es still. Aber jetzt gibts eine Ahnung
davon, obwohl ein Teil schon wieder aufspringt, die heraufkriechende Kälte
zum Anlaß nimmt, das Auto anschmeißen und zur Telefonzelle fahren
zu wollen. Natürlich gibt es kaum Pullover denn die dreißig Grad
des Tages haben jedes Kältevorstellungsvermögen aus dem Gehirn verdrängt.
Es ist ein merkwürdiges
Eindringen in diesen Ort. Man könnte sagen, es ist genügsam oder so
was. Ein Immigrant, der irgendwo hinkommt, seinen Koffer aufklappt und mit anormalem
Eifer eine ganze Wohnung aus ihm herausfaltet. Aber es ist ein Luxus, denn es
ist schon mehr Habe hier versammelt, als die meisten einzelnen Menschen auf
der Welt besitzen. Und zum ersten Mal hat es einen unerwarteten Anflug von Weiblichkeit.
Jedenfalls kommt man mit Krach und vielen weißen Blechpferdestärken
in diesen Ort gepoltert. Natürlich reagiert der eingesperrte Nachbarshund,
aber dann werden dort Gäste verabschiedet und er bellt noch mehr. Als die
Gäste weg sind, das Räumen aber weitergeht, verstummt der Hund vor
seiner Klinkerfassade. Es ist der ausführlichst fertiggestellte Neubau
im Dorf, mit Reetdach.
Draußen ist der Vollmond immer noch einbißchen gelblich und zart
verhangen wie es die einschlägigen Gemälde wiederzugeben versuchen.
Ich frage mich, warum die eingeschafenen Vögel oben offenbar keinerlei
Angst vor mir, dem Erzeuger der Geräusche haben, das Licht, das doch mit
den Geräuschen hier unten verbunden war löste größte Unruhe
aus, das kommt mir inkonsequent vor. Offenbar können sich die beiden Phänome
bei ihnen nicht verknüpfen.
Wenn ich die ganze Einrichtung des Eindringlings hier stehen ließe, wie sie auf den anderen Teil der Ausstellung schaut, so wäre das zwar nicht neu, aber der Situation angemessen, die abgeschlagene verhinderte Idee mit den Steinen bringt den Wust zurück, und die Notwendigkeit, hier zu leben. Der erste Teil der neu angesetzten Arbeit ist, die Aggression, gegen die Art der Abwehr der anderen Idee loszuwerden, oder einfach mit ihr jetzt zu arbeiten, denn es ist ja auch meine Schuld nicht einfach das andere organisiert zu haben, so hier ist es, und es ist nicht teurer.
Draußen, der Kieselweg hin zur Pforte wird mit Verbundpflaster belegt, die Grasfläche zum Weg hin so erhöht, daß die Niveaus zueinander stimmen. Man tritt ein und steht zwischen den Werkzeugen und Tischen an der Rückseite des Raumes. Rechts an der Wand steht eine Batterie Kunststofffenster. Neu, ausgepackt. Dort, wo nichts steht, ist entweder auf Sand oder auf grobem Papier in gut 12 cm Abstand zum Untergrund das Betonverbundpflaster aus Draht. Die virtuelle Realisierung der anderen Idee.
Nie hatte ich solche Motivationsschwierigkeiten.
Und nach der ersten einigermaßen gelungenen Aufnahme kam vorm nächsten
Einkaufsmarkt der Marktleiter Herr Küngel oder so, nach eigenen Angaben
der Verantwortliche, herbeigelaufen um das Terrain zu verteidigen, hielt einen
Vortrag über Arbeitsschutz und Rückenschmerzen, weil ich gesagt hatte,
den Zug aus Gabelstapler und ineinandergeschobenen Einkaufswagen hätte
ich interessant gefunden und deshalb aufgenommen. Wahrschscheinlich hat er auf
dem Parkplatzgelände das Recht das zu verbieten. Hier hat man immer den
Eindruck, jede derartige Möglichkeit wird genutzt. Das Wesen im Bauch ist
glücklicherweise die ganze Zeit dabei, will aber von dem ganzen Scheiß
nix wissen. Ab und an, wenn ich mich zu sehr vorbeuge, wirds ihm eng und es
meldet sich mit zarten Tritten gegen die Bauchinnendecke.
Jedenfalls irrte ich heute nacht durch Berlin. Zunächst hatte das Wesen
einen Fuß rausgestreckt, ich hatte ihn angefaßt mich gefreut, bis
ich realisierte, daß hier draußen eine Menge Schmutz ist. Als ich
aufstand, kam es in einer glitschigen Bewegung ganz raus und ich wachte auf.
Möglichst ohne die Nabelschnur abzuklemmen hielt ich es auf dem Bauch und
rannte nackt in die Bettdecke eingewickelt auf die Straße und landete
irgendwie in einem chirurgischen Spezialkrankenhaus. Niemand glaubte mir so
recht, trotzdem bestellten sie einen Krankenwagen, aber nach einer halben Stunde
war immer noch keiner da. Bevor ich neben ihrem Tagesgeschäft vollends
aus ihrer Aufmerksamkeit rausfiel, stellten sie immerhin fest, daß noch
ein Kind im Bauch war. Ich rannte mit einer Hand an dem Wesen auf dem Bauch
und der anderen zwischen den Beinen los, um ein Taxi zu suchen. Nach fast 5
Stunden im Regen auf den Straßen weckten mich die Vögel, die sich
entschlossen hatten, sich in der Kapelle zu streiten. Hatte nicht mal geschaut,
ob es ein Mädchen oder ein Junge ist.
S. ließ mir gerade 5 Minuten und stand in frischen T-shirt, Schirmmütze
und mit neuen Plänen in der Morgensonne. Er hatte Röteln gehabt und
genoß noch einige Tage Quarantaine, die nur den Schulbesuch, nicht aber
die Gestaltung der Nachmittage betraf. Warum er da nicht hingehen mochte, wußte
er nicht so genau "früh aufstehen", er sei nicht schlecht, verhält
sich auch nicht so. Vielleicht ist das Schweigen über seinen saufenden
Vater anstregend.
15.5.
Die ausgeschnittene Parzelle ist auch die die Einführung einer exakten
Grenze. Es gibt kein Niemandsland zwischen mir und dem Nachbarn und der öffentlichen
Straße. Natürlich ist das hügelige Durcheinander von Sträuchern
und unvollständigen Zäunen, Feldern Buschwerk, Wasserlöchern,
verwelkten LPG-Geländen eine Fiktion. Die Bestimmungen der Flächen
sind klar und präzise EU-reguliert, die Bauern schlängeln sich zwischen
Wirtschaftlichkeit und Vorgaben hindurch, durch Subventionen und Abgaben, sodaß
die ganze schöne Mecklenburger rapsblühende Poesie doch noch etwas
trotzdem existiert.