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Friseusalon, Plüschow/Mecklenburg

1992 in Draht für die Ausstellung Ortszeit , Künstlerhaus Schoß Plüschow

Friseursalon

13min, 35 mm

Buch/Regie: Sibylle Hofter

Kamera: Lutz Garmsen
Bildschnitt: Margit Bauer
Tonschnitt: Ulrike Hemberger
Musik: Andreas Schilling
und das Markus-Reinhardt-Ensemble

Produktion: Hofter 1996

 

Mitarbeiter: Irmhild Gumm
Michel Klöfkorn
Karsten Kranzusch
Antje Krutz

Beratung: Hellmuth Costard
Leo Borchard
Ursula Helfer

gedreht 1994/95 in
Plüschow/ Mecklenburg
und im Ruhrgebiet

 

Realisiert aus Mitteln der
Kulturellen Filmförderungen
Mecklenburg-Vorpommern
und Nordrhein-Westfalen


Herzlichen Dank an timeline Berlin, Titus
Kreyenberg, Kulturhistorisches Museum Stralsund, Ruhrland Museum, Claas Mehlhop, Werner Nekes, Gemeinde Plüschow,
Salon Haut und
die Teilnehmer der Führung: Frau Bergfried, Karin und Wolfgang Hofter, Frau Merdin,
Helfried Wieschke, Frau Wingender

Der Film
Eine Besuchergruppe wohnt in merkwürdiger Bewegtheit dem Weggang einiger Dinge aus einem kulturhistorischen Museum bei. Es ist ein gut geheiztes Altersheim für die von ihrer Vergangenheit abgeschnittenen Dinge. Nach einer kurzen Reise durch die Republik treffen sie sich aus allen Richtungen kommend an ihrem Ort. Es wird geputzt und sortiert: Sie bringen sich leidlich in Ordnung. Dann kommt eine Person, der sie die Haare wachsen lassen. Das ist ihr letzter Akt; jetzt können sie sich verwandeln.

Es ist die Verwandlung in einen Raum, dessen Gestalt nur noch durch die Umrißlinien der Gegenstände definiert ist. Alles ist aus Draht gelö-tet. Es ist als bewegte man sich in einer Zeichnung im Raum, einer Zeichnung aus Draht, die wieder zu agieren beginnt.

The film
An odd group of visitors attends the departure of objects out of a museum. It´s a well heated home for retired o bjects cut off from their history. Arriving from all directions after a travel through the republic they meet at their place. Cleaning and clearing: When everything is fairly well on its place, a person enters the space, and as their last action they give her a hair-growth: Then the objects can transform.

They transform to a space of welded wire. You move inside a drawing in space, a drawing of wire. It starts to act again.


DER ORT: Vergessene Räume
Während der Vorbereitungen der Gruppenausstellung 'Ortszeit' 1992 in Plüschow/Mecklenburg stieß ich auf den Friseursalon, der mir zunächst fast zu schön, ein fast zu eindeutiges Bekenntnis war. Ich baute in einem der Ausstellungsräume ein 1:1 Drahtmodell dieses Salons, den man unten im Original besichtigen konnte. Das war der erste komplette Raum aus Draht.

Später stellte ich fest, daß diese Arbeit eine Art Schlußpunkt fast 10-jähriger Auseinandersetzung mit der Schönheit vergessenener, oft ver-achteter Räume der Länder des Ostblocks darstellte. Entdeckungsreisen zu Bushaltestellen und Volksküchen in Polen, Ungarn, Lettland, Krim, Moskau und immer wieder auch, aber anders, weniger verträumt, weinger verantwortungslos in die DDR, in der ich die Sprache verstehen konnte, in der die Leute am Nebentisch flüsterten.
Meist war dies mit Ausstellungen verbunden, die diese Räume und ihre Gegenstände -offensichtlich oder nicht- zum Thema hatten.

Was ich geahnt hatte wurde nach 1989 offensichtlich: Gerade diese VERGESSENEN Räume, die ich liebte, waren die ersten, die ver-schwanden. Wer wollte schon diese Räume, in denen man sich nicht verstecken kann, die in ihrer ganzen Nacktheit nur ehrlich sein können?

Sich in Realitäten von Wünschen von Menschen oder Realitäten wirtschaftlich-machtpolitischer Art zu fügen, hat allzuleicht resignativen Charakter. Ich habe den Eindruck mit diesem Film, der nur im Augen-
blick des Verschwindens (es sind Wohnungen geplant) realisiert werden konnte, eine mögliche Haltung dazu gefunden zu haben: Der Ort ist geblieben ohne das Verschwinden zu leugnen.

THE SITE: Forgotten spaces
During the preparation of my part in the show "Ortszeit" in Plüschow/ Mecklenburg in 1992 I came upon the bar-bershop. At first it seemed to be almost too beautiful, a confession almost too clear. I constructed a 1:1 wireframe, and downstairs you could see the original. This was my first entire space of wire.
I think the film is something like a final point of almost 10 years work on the beauty of forgotten -often despised- spaces in the easterneuro--pean countries. Voyages of discovery to tram stops and soup-kitchens ('milk-bars') in Poland, Hungary, Latvia, Crimea, Moscow and also GDR, but different, less irresponsible, because there I knew the lan-guage. Most of these travels were connected to exhibitions, which -obviously or not- had these spaces and their objects for base.

After 1989 an inkling became evident: These FORGOTTEN SPACES were the first to disappear. Who would want to be where it´s impos-sible to hide? The nudity made the situation honest. Hardly anyone wants to be there. That´s how economical realities and what people want come together. It was hard to cope with it, but I think this film is a suitable attitude beyond resignation: It had to be shot in the moment of disappearance (appartments are planned):
The site stays without deniing its disappearance.

Die Zeit hat sich in dieGegenwart verirrt


H.Costard